Das Institut für Generationenforschung hat in seiner neuesten repräsentativen Umfrage das Sport- und Gesundheitsverhalten der Deutschen während der Corona-Pandemie genauer unter die Lupe genommen. Mit einem erstaunlichen Ergebnis: Studienleiter Rüdiger Maas diskutiert diese im Gespräch mit Urs Meier.
Rüdiger Maas Urs Meier
"Und es war sportlich ein Scheißjahr"
So empfand Gesa Krause, Deutschlands erfolgreichste Läuferin und mehrfache Medaillengewinnerin bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, das Corona-Jahr 2020. Tiefpunkt ihres Jahres war das Rennen um die deutsche Meisterschaft in Braunschweig im August 2020, das Krause wegen Erschöpfung abbrechen musste. Ein herber Rückschlag für die 7-fache deutsche Meisterin, denn sie ging als klare Favoritin ins Rennen und ihre bisher erzielten Zeiten eilen denen ihrer deutschen Konkurrentinnen um ein Vielfaches voraus. Und es war tatsächlich das einzige Rennen, dass sie dieses Jahr aufgrund der Corona-Pandemie bestreiten konnte. Was war passiert?
Monatelange Trainingsvorbereitungen auf höchstem Niveau gepaart mit der Ungewissheit, ob der nächste Wettkampf stattfinden kann. Dann jagt die eine Wettkampfabsage die andere: Zuerst die Absage der Olympischen Spiele im März in Tokio. Dieser waren monatelange Trainingsvorbereitungen vorausgegangen. Eine Neuausrichtung des sportlichen Fokus auf die Europameisterschaften in Paris. Auch diese werden dann im April abgesagt. Schließlich dann die Vorbereitungen auf die deutsche Meisterschaft im August. Der Tank war leer. Das sind die Gründe, die Krause für ihr Scheitern in einem Interview mit der Zeit anführt.
Eine aus psychologischer Perspektive erklärbare Situation, meint Rüdiger Maas, Diplom-Psychologe und Leiter des Instituts für Generationenforschung: „Sich selbst Ziele zu setzen ist aus psychologischer Sicht sehr wichtig, es ist ganz klar, dass Sportler und Sportlerinnen in der Corona-Zeit, in der so viele Dinge eingeschränkt und erschwert sind, Probleme haben, ihre Motivation aufrechtzuerhalten.“
Sport- und Gesundheitsverhalten der Deutschen während der Corona-Pandemie
Das Institut für Generationenforschung hat daher in seiner neuesten repräsentativen Umfrage das Sport- und Gesundheitsverhalten der Deutschen genauer unter die Lupe genommen. Mit einem erstaunlichen Ergebnis:
Vor allem junge Männer haben in der Corona-Pandemie ihre sportlichen Aktivitäten deutlich reduziert. Jeder zweite Mann macht derzeit weniger Sport als vor der Corona-Pandemie. Bei den Frauen hingegen ist das ganz anders: Jede zweite Frau treibt sogar mehr Sport als vor der Pandemie. Maas vermutet die Ursache für die geschlechterspezifischen Unterschiede in zwei Faktoren: Im Nutzungsverhalten von Online-Angeboten und in verschiedenen Sportaktivitäten von Männern und Frauen. Frauen greifen laut den Umfragen des Instituts etwa 15-Mal häufiger auf Sportangebote über das Netz zurück als Männer. Und gerade in Zeiten der Pandemie ist das eine von wenigen Möglichkeiten, Sport zu treiben. Hinzu kommt, dass Männer häufiger in Fitnessstudios gehen und mehr Hallensport als Frauen betreiben, eben alles Aktivitäten, die derzeit nicht möglich sind.
Studienleiter Rüdiger Maas im Gespräch mit Urs Meier
Ähnlich geht es auch dem ehemaligen Schweizer FIFA-Schiedsrichter und ZDF-Fußballexperte Urs Meier. Im Gespräch mit Rüdiger Maas gewährt Meier einen ehrlichen Blick in seinen Alltag: „Wenn ich mich normal anziehe, also mit normaler Kleidung, dann kann es sein, dass ich den ganzen Tag den Stepper nur anschaue.“ Gute Vorsätze für den Sport reichen laut Meier eben oft für die sportliche Motivation nicht aus, man müsse einen geeigneten Rahmen für seine sportlichen Aktivitäten schaffen. Das geschehe eben häufig über die Kleidung: „Zum Beispiel, dass man nicht den ganzen Tag in Trainingskleidung herumhängt, sondern sich auch gut anzieht, wenn man im „Home Office“ ist, so als gehe man regulär zur Arbeit.“ Bei der Motivation zum Sport sei es genauso wie bei der Motivation für die Arbeit. Nur wenn auch die Rahmung für die Aktivität stimmt, kann eine Tätigkeit motivierend sein. „Das hat für mich dann auch eine andere Dynamik, eine andere Ausstrahlung, eine andere Körpersprache, wie wenn ich mich hängen lasse.“, so Urs Meier.
Online-Competitions für den Motivationsschub
Ob bei Profi-Sportlern und Sportlerinnen oder bei den Hobby-Sportlern und Sportlerinnen, die Rahmung ist immer entscheidend: Fallen Wettkämpfe auf unbestimmte Zeit für Profis weg oder wird der Hobbysport durch Corona-Maßnahmen eingeschränkt, schlägt sich das auf die Motivation nieder. Urs Meier rät daher den derzeit sportfaulen jungen Männern beim Sport immer wieder nach der Herausforderung zu suchen. Dies sei gerade bei dieser Altersgruppe sehr motivierend. Das gehe auch in Zeiten der Corona-Pandemie: Online-Competitions können hier den nötigen Motivationsschub geben. Das zahlt sich laut Urs Meier schließlich dann auch aus. Man müsse keine sportlichen Höchstleistungen erbringen, denn der Sport kann in Zeiten der Corona-Pandemie viel wichtigere Erfolge als Medaillen erzielen: „Und das ist das, was der Sport uns geben kann, einfach etwas Normalität und Freude im Alltag.“
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Foto Rüdiger Maas: Adrian Beck
Foto Urs Meier: Beat Baschung Fotografie
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